Grundlagen
des Insolvenzverfahrens
Wie eine Insolvenz abläuft, regelt die
Insolvenzordnung (InsO). Ein Insolvenzverfahren wird durch das Insolvenzgericht
beschlossen, wenn ein entsprechender Antrag des Insolvenzschuldners oder eines
Gläubigers und ein Insolvenzgrund vorliegt. Insolvenzgründe sind
Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und
Überschuldung (§ 19 InsO), wobei letzte nur bei juristischen Personen (z.B.
GmbH, AG) in Betracht kommt.
Der
(vorläufige) Insolvenzverwalter
Charakteristisch für das Insolvenzverfahren
ist die Bestellung eines Insolvenzverwalters (§ 56 InsO). Er wird vom
Insolvenzgericht im Eröffnungsbeschluss bestellt und führt das
Insolvenzverfahren durch. Seine Hauptaufgabe liegt darin, die Insolvenzmasse
zusammenzustellen (d.h. schuldnerfremde Gegenstände auszusondern und offene
Vermögenspositionen zu ergänzen) und diese anschließend an die
Insolvenzgläubiger gleichmäßig zu verteilen.
Das Insolvenzgericht hat zudem die
Möglichkeit, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen vorläufigen
Insolvenzverwalter zu bestellen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Davon wird regelmäßig
Gebrauch gemacht. Dabei ist wiederum zwischen dem so genannten „starken“ und
„schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu unterscheiden. Der „starke“
zeichnet sich dadurch aus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über
das Vermögen des Schuldners auf ihn übergeht (§ 22 InsO), während der
„schwache“ nur einzelne, vom Insolvenzgericht festgelegte Befugnisse hat.
Die Unterscheidung ist für Arbeitnehmer
insofern von Interesse, als nur der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter
rechtlich befugt ist, eigenständig Kündigungen auszusprechen oder das
arbeitsrechtliche Direktionsrecht wahrzunehmen (vergleiche auch hierzu unseren
Ratgeber:
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers oder: Wer bestimmt
am Arbeitsplatz?).
Was
wird aus meinem Gehalt?
Für von einer Insolvenz betroffene
Arbeitnehmer stellt sich natürlich die Frage, was mit ihren Gehaltsansprüchen
passiert. Dazu muss unterschieden werden, ob es sich um offene Gehaltsansprüche
aus der Zeit
vor der Insolvenzeröffnung oder um Gehaltsansprüche
handelt, die
nach Insolvenzeröffnung entstanden sind. Im ersten Fall
handelt es sich um normale Insolvenzforderungen mit der Folge, dass der
Arbeitnehmer wie alle anderen Insolvenzgläubiger befriedigt wird. Insbesondere
muss er seine Gehaltsforderung zur Insolvenztabelle anmelden (§ 174 InsO). Da
Gläubiger in einem Insolvenzverfahren erfahrungsgemäß nur einen Teil ihrer
Forderung erhalten (Quote), verlieren Arbeitnehmer meistens den größten Teil
ihrer offenen Gehaltsforderungen. Hier hilft allerdings häufig die Agentur für
Arbeit mit dem Insolvenzgeld (dazu gleich mehr).
Handelt es sich um Gehaltsansprüche, die
nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, gehören diese zu den so
genannten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Diese sind aus Sicht
des Arbeitnehmers deutlich werthaltiger, denn solche Masseverbindlichkeiten
müssen vollständig erfüllt werden, bevor es zu einer Verteilung der
Insolvenzmasse kommt. Eine Ausnahme hiervon liegt dann vor, wenn
Masseunzulänglichkeit gegeben ist (§ 208 InsO). Das Bundesarbeitsgericht (BAG)
hat auch entschieden, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 des
Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) zu den Masseverbindlichkeiten gehört, wenn das
Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet wird (BAG,
Urteil vom 25.03.2003, Az. 9 AZR 174/02). Die Geldentschädigung für nicht genommenen
Urlaub ist somit auch im Insolvenzfall vorrangig.
Insolvenzgeld
Im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines
Arbeitgebers zahlt die Bundesagentur für Arbeit unter Umständen Insolvenzgeld
als Ersatz für Gehaltsforderungen, die vor Insolvenzforderungen offen waren.
Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn sie im Inland
beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei
Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben (§ 165
Abs. 1 S. 1 SGB III).
Als Insolvenzereignis gilt die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des
Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die
vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein
Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 165
Abs. 1 S. 2 SGB III).
Was
passiert mit meinem Arbeitsplatz?
Nach § 108 Abs. 1 S. 1 InsO bestehen
Arbeitsverhältnisse mit einem insolventen Arbeitgeber auch nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens fort und enden nicht automatisch. Allerdings ist der
Insolvenzverwalter berechtigt, Arbeitsverhältnisse zu kündigen, wovon aufgrund
der wirtschaftlichen Situation des insolventen Arbeitgebers häufig Gebrauch
gemacht wird.
Der Insolvenzverwalter muss sich dabei aber
ebenfalls an die arbeitsvertraglichen und gesetzlichen Kündigungsvorschriften
halten. Ist zum Beispiel das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anwendbar, so muss
sich der Insolvenzverwalter hieran halten, zum Beispiel eine Sozialauswahl im
Falle der betriebsbedingten Kündigung vornehmen (vergleiche auch hierzu unseren
Ratgeber:
Informationen zum Kündigungsschutz).
Bei der Sozialauswahl kann der
Insolvenzverwalter allerdings einige besondere Verfahren in Anspruch nehmen: So
kann er einvernehmlich mit dem Betriebsrat eine so genannte Namensliste mit den
Arbeitnehmern erstellen, denen gekündigt werden soll. Die Sozialauswahl kann
dann nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter
und die Unterhaltspflichten und auch insoweit nur auf grobe Fehlerhaftigkeit
gerichtlich nachgeprüft werden; sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen,
wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten oder geschaffen wird (§ 125
Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO). Dabei bezieht sich die Prüfung einer möglichen groben
Fehlerhaftigkeit aber nicht nur auf die sozialen Indikatoren und deren
Gewichtung selbst. Vielmehr wird die gesamte Sozialauswahl, also insbesondere
auch die Bildung der auswahlrelevanten Gruppen, gerichtlich überprüft (vgl.
BAG, Urteil vom 28.08.2003, Az. 2 AZR 368/02).
Gibt es keinen Betriebsrat oder kommt eine
einvernehmliche Namensliste nicht zustande, so kann der Insolvenzverwalter beim
Arbeitsgericht bestimmte Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis herausklagen (§
126 InsO).
Ein Insolvenzverfahren bringt auch unter
Umständen verkürzte Kündigungsfristen mit sich. So beträgt die Kündigungfrist
gemäß § 113 InsO maximal drei Monate zum Monatsende, sofern nicht ohnehin eine
kürzere Kündigungsfrist anwendbar wäre.
Wird das Arbeitsverhältnis nach Insolvenzeröffnung
beendet, so ist der Insolvenzverwalter zur Ausstellung des Arbeitszeugnisses
verpflichtet, unabhängig davon, ob und wie lange er den Arbeitnehmer
beschäftigt hat oder eigene Kenntnisse über dessen Arbeitsleistung gewinnen
konnte. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Insolvenzverwalter einen Auskunftsanspruch
nach § 97 InsO
gegenüber dem insolventen Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 23.06.2004, Az. 10 AZR
495/03).
Fazit: Trotz Pleite muss für Arbeitnehmer
noch nicht alles verloren sein
Die Insolvenz des Arbeitgebers hat häufig
direkte Konsequenzen auf die Gehaltszahlungen oder gleich den ganzen
Arbeitsplatz. Arbeitnehmer sollten allerdings wissen, dass sie auch in der
Insolvenz des Arbeitgebers kein „Freiwild“ sind. Die Arbeitsrechtler der
KANZLEI GÖDDECKE stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, sollte auch Ihr
Arbeitsplatz von einer Insolvenz betroffen sein.
13.07.2012 (Rechtsanwalt Ralf Koch)