Gesetzlich
geregelt ist die fristlose Kündigung in § 626 BGB. Nach dieser Vorschrift kann
ein Arbeitsvertrag von beiden Vertragspartnern aus wichtigem Grund mit
sofortiger Wirkung gekündigt werden. Dazu müssen Tatsachen vorliegen, auf Grund
derer dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des
Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Wann solche Tatsachen
vorliegen, wird unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und
unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile beurteilt.
Klar
ist, dass mitunter ein Minenfeld von Argumenten zu durchschreiten ist und
mancher Firmeninhaber oder auch Arbeitnehmer sich scheut, in die Öffentlichkeit
eines Gerichtsverfahrens zu treten; geht es doch möglicherweise um
Firmeninterna, die der Geheimhaltung unterliegen sollen. Das kann zum Beispiel.
dann der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer wichtige Unterlagen oder Geldbeträge
unterschlägt.
Die
fristlose Kündigung muss auch nicht zwangsweise ohne jegliche Frist erfolgen.
So kann der Arbeitgeber beispielsweise außerordentlich kündigen, aber eine
Auslauffrist einräumen. Verpflichtet ist er hierzu aber nicht.
I. Voraussetzungen für die fristlose Kündigung
Die
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung im Arbeitsverhältnis wurden
insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in
Fallgruppen herausgearbeitet. Die Rechtsprechung geht dabei grundsätzlich in
einer zweistufigen Prüfung vor. Zunächst wird untersucht, ob das Verhalten
einer Partei an sich einen Kündigungsgrund darstellt. Anschließend wird noch
eine Einzelfallabwägung vorgenommen (vgl. BAG, Urteil vom 11. 12. 2003, Az. 2
AZR 36/03). Im einzelnen sehen die Voraussetzungen wie folgt aus:
1.
Gravierender Pflichtenverstoß
Der
Gekündigte muss in gravierender Weise gegen seine vertraglichen Pflichten
verstoßen haben. Typische Fallgruppen dazu werden weiter unten erläutert.
2.
Rechtswidrigkeit und Verschulden
Der
Pflichtverstoß muss rechtswidrig sein. Daran fehlt es, wenn das Verhalten des
Gekündigten gerechtfertigt war. So ist zum Beispiel dass Verweigern der
Arbeitsleistung bei einem rechtmäßigen Streik auch gerechtfertigt, weshalb eine
fristlose Kündigung deswegen ausgeschlossen ist. Ein Verschulden, also Vorsatz
oder Fahrlässigkeit, ist an sich keine Voraussetzung für eine fristlose
Kündigung (BAG, Urteil vom 21. 1. 1999, Az. 2 AZR 665/98). Gleichwohl ist der
Grad des Verschuldens auch ein Indikator dafür, ob ein gravierender
Pflichtenverstoß vorliegt oder nicht.
3.
Verhältnismäßigkeit
Die
fristlose Kündigung muss dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Sie
darf nur das letzte Mittel, also: die "ultima ratio" sein. Aus diesem
Grunde ist in den meisten Fällen eine vorherige Abmahnung erforderlich. Sie ist
eine Maßnahme, durch die der Kündigende in einer für den Gekündigten
unmissverständlichen Art und Weise seine Beanstandungen zum Ausdruck bringt.
Darüber hinaus weist er ihn darauf hin, dass bei wiederholten gleichartigen
Pflichtverletzungen das Arbeitsverhältnis gefährdet ist (
Warnfunktion).
Nur
in den Fällen, in denen es erkennbar zu keiner Verhaltensänderung in der
Zukunft kommen kann, ist eine Abmahnung entbehrlich.
4.
Einzelfallbezogene Interessenabwägung
Zuletzt
muss immer eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorgenommen werden. Sie
muss zu Gunsten des Kündigenden ausgehen, damit die fristlose Kündigung wirksam
ist. Das BAG hat in dem durch die Medien bekannten "Emmely-Fall" noch
einmal klargestellt, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt; bei diesem
Fall ging es um das Einlösen von aufgefundenen Leergutbons im Wert von € 1,30
durch eine Arbeitnehmerin einer Supermarktkette. Es bedarf stets einer
umfassenden, auf den Einzelfall bezogenen Prüfung und Interessenabwägung
dahingehend, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz
der eingetretenen Vertrauensstörung - zumindest bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (Urteil vom 10. 6. 2010, Az. 2 AZR
541/09).
5.
Frist zum Ausspruch der Kündigung
Auch
wenn die fristlose Kündigung selbst - wie der Name schon sagt - ohne Rücksicht
auf die Einhaltung von Kündigungsfristen ausgesprochen werden kann, so hat der
Kündigende nicht unendlich Zeit, sich für oder gegen die Kündigung zu
entscheiden. Nach § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung nämlich innerhalb von
zwei Wochen, nachdem der zur Kündigung berechtigte von den für die Kündigung
maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat, ausgesprochen werden.
6.
Mitteilung des Kündigungsgrundes
Die
Kündigungserklärung muss an sich keine Angabe des Kündigungsgrundes enthalten.
Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB dazu verpflichtet,
dem Arbeitnehmer auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich
mitzuteilen.
II. Einzelne Kündigungsgründe (Auswahl)
Wie
bereits dargestellt, gibt es nach der Rechtsprechung des BAG keine absoluten
Kündigungsgründe, die ohne weiteres eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Allerdings haben sich Fallgruppen herausgebildet, in denen eine fristlose
Kündigung im Allgemeinen berechtigt ist.
·
Alkohol-/Drogenkonsum
Alkohol
oder Drogenmissbrauch kann zur fristlosen Kündigung berechtigten. Im Einzelfall
kann sogar eine Abmahnung entbehrlich sein, nämlich dann, wenn der Alkohol-
bzw. Drogenkonsum dazu geführt hat, dass erhebliche Rechtsgüter (z.B. Leib oder
Leben) konkret gefährdet wurden. Der Alkoholkonsum muss noch nicht einmal
innerhalb der Arbeitszeit stattgefunden haben. So kann zum Beispiel der Entzug
der Fahrerlaubnis infolge einer privaten Trunkenheitsfahrt eine fristlose
Kündigung eines Berufskraftfahrers rechtfertigen (Vgl. BAG, Urteil vom
30.5.1978, 2 AZR 630/76).
·
Verstoß gegen die Arbeitszeit
Das
unbefugte vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes kann einen wichtigen Grund
darstellen, der zur fristlosen Kündigung berechtigt. Auch eine Manipulation der
Arbeitszeiterfassung stellt einen schweren Vertrauensbruch dar, der in der
Regel zur fristlosen Kündigung berechtigt (BAG, Urteil vom 12.08.1999, Az. 2
AZR 832/98). Ebenso kann ein eigenmächtiger Urlaubsantritt eine fristlose
Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 16. 03.2000, Az. 2 AZR 75/99).
·
Missbrauch von Administratorenrechten
Nutzt
ein Computeradministrator seine Zugriffsmöglichkeiten, um Korrespondenz eines
Vorstands zu sichten, kann dies zur fristlosen Kündigung berechtigen, selbst
dann, wenn ihm Revisionsrechte eingeräumt worden sind (LAG Köln, Urteil vom
14.05.2010, Az. 4 Sa 1257/09).
·
Straftaten/Tätlichkeiten
Straftaten
können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das gilt zunächst natürlich für
Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber, z.B. Vermögens- oder Eigentumsdelikte.
Aber auch Straftaten außerhalb der Arbeitszeit und gegen Dritte können einen
Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Dabei kommt es nicht auf die
strafrechtliche Würdigung des Verhaltens, sondern auf die mit der Tat
verbundenen Störung des Arbeits- bzw. Vertrauensverhältnisses an. Auch
Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern können einen wichtigen Grund für eine
fristlose Kündigung darstellen. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es in solchen
Fällen regelmäßig nicht (BAG, Urteil vom 12.07.1984, Az. 2 AZR 320/83)
III. Wie sollte ich mich bei Erhalt einer
außerordentlichen Kündigung verhalten?
Wenn
Sie eine außerordentliche Kündigung erhalten haben, besteht die Möglichkeit,
dagegen mit einer Kündigungsschutzklage vorzugehen. Hierbei muss unbedingt die Dreiwochenfrist
gemäß §§ 4 S. 1, 13 Abs.1 S. 2 des Kündigungsschutzgesetzes beachtet werden.
Die Frist läuft ab Zugang der Kündigung. Wird sie versäumt, so wird
unwiderleglich vermutet, ein wichtiger Grund vorlag und dass der Arbeitgeber
auch die Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB eingehalten hat.
Die
Rechtsanwälte der KANZLEI GÖDDECKE sind gerne behilflich, wenn es um eine
fristlose Kündigung geht.
(Rechtsanwalt
Ralf Koch)