Betriebsrat
und Kündigungsschutz
Der Betriebsrat spielt beim
Kündigungsschutz eine besondere Rolle. Zum einen genießen
Betriebsratsmitglieder selbst besonderen Kündigungsschutz. Zum anderen hat der
Betriebsrat eigene Rechte, wenn es um die Kündigung von Arbeitnehmern in seinem
Unternehmen geht.
I. Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder
Geschützte Personen
Mitglieder des Betriebsrats werden
nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) besonders vor Entlassungen geschützt.
Nach § 15 KSchG ist die Kündigung eines Betriebsratsmitglied grundsätzlich
unzulässig. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat
wegen seines Einsatzes für die Arbeitnehmer unter Druck setzen kann. Der
Betriebsrat soll seine Arbeit vielmehr ohne Rücksicht auf den Einfluss des
Arbeitgebers effektiv ausüben können.
Geschützt werden aber nicht nur
Betriebsratsmitglieder während ihrer Amtszeit, sondern auch Bewerber für die
Betriebsratsposition, ehemalige Mitglieder sowie Personen, die bei der Wahl zum
Betriebsrat (Wahlausschuss) mitwirken:
So werden bereits Arbeitnehmer, die
die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragen, vom Zeitpunkt der
Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor Kündigungen
geschützt (§ 15 Abs. 3a KSchG).
Auch die Mitglieder des Wahlvorstandes
genießen natürlich vom Zeitpunkt ihrer Bestellung bis zur Bekanntgabe des
Wahlergebnisses besonderen Kündigungsschutz. Dies gilt eingeschränkt noch 6
Monate danach. Ebenso geschützt werden Wahlbewerber vom Zeitpunkt der
Aufstellung des Wahlvorschlages bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 15
Abs. 3 KSchG).
Auch nach Ausscheiden aus dem
Betriebsrat genießen seine Mitglieder besonderen Kündigungsschutz bis zu einem
Jahr ab Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit (§ 15 Abs. 1 S. 2 KSchG).
Diese Regelungen gelten auch für
Ersatzmitglieder (§ 25 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG). Dies sind
Mitglieder, die bei Ausscheiden eines Betriebsratsmitglieds über eine Liste
nachrücken oder zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglieder vertreten. Wird zum
Beispiel ein Betriebsratsmitglied krank, so genießt das Ersatzmitglied für die
Dauer der Vertretung zuzüglich einem weiteren Jahr Kündigungsschutz.
Umfang des Kündigungsschutzes
Der zuvor beschriebene
Kündigungsschutz erstreckt sich nur auf ordentliche Kündigungen unter
Einhaltung der Kündigungsfristen. Natürlich bleibt einem Arbeitgeber das Recht,
bei schwerwiegenden Verfehlungen ein Betriebsratsmitglied außerordentlich und
fristlos zu kündigen. Zwar benötigt er hierzu wiederum die Zustimmung des Betriebsrats
(§ 103 Abs. 1 BetrVG). Diese Zustimmung kann allerdings auch durch das
zuständige Arbeitsgericht ersetzt werden (§ 103 Abs. 2 BetrVG).
Beispielhaft sei ein Fall genannt,
der vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Mannheim verhandelt wurde:
Eine Betriebsratsvorsitzende
verbreitete während eines andauernden Streiks in Funk und Fernsehen unwahre
Tatsachenbehauptungen über die Arbeitsbedingungen beim betroffenen Arbeitgeber.
Das Gericht sah hierin einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung, da die
Äußerungen geeignet waren, den Arbeitgeber zu verunglimpfen, zu diskreditieren
und darüber hinaus eine nachhaltige Störung des Betriebsfriedens zu
verursachen. Das Gericht ersetzte die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur
außerordentlichen Kündigung seiner Vorsitzenden (ArbG Mannheim, Beschluss vom
19.08.2008 - 8 BV 11/08).
Der besondere Kündigungsschutz kann
natürlich nur solange wie der jeweilige Betrieb existieren. Wird ein Betrieb
stillgelegt, so ist die Kündigung der meisten der oben genannten Personen
frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung zulässig. Eine Ausnahme gilt dann,
wenn die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche
Erfordernisse bedingt ist (§ 15 Abs. 4 KSchG).
Problematisch ist die Stilllegung
einer gesamten Abteilung. Das Gesetz sieht hier vor, dass die meisten der oben
genannten Personen in eine andere Abteilung zu übernehmen sind, solange
zwingende betriebliche Erfordernisse nicht entgegenstehen (§ 15 Abs. 5, 4
KSchG). Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist der
Arbeitgeber in einem solchen Fall allerdings nicht verpflichtet, dem
betroffenen Arbeitnehmer einen höherwertigen Arbeitsplatz in einer
anderen Abteilung anzubieten. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer das
Anforderungsprofil für diesen höherwertigen Arbeitsplatz erfüllt (BAG, Urteil
vom 23.02.2010 - 2 AZR 656/08).
II. Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei Kündigungen
Der Betriebsrat ist nicht nur selbst
gegen Kündigungen besonders geschützt. Ihm stehen auch folgende Rechte bei der
Kündigung von "normalen" Angestellten im gleichen Betrieb zu:
Anhörungsrecht des Betriebsrats
So ist der Betriebsrat vor jeder
Kündigung anzuhören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung
mitzuteilen. Einer näheren Erläuterung der Kündigungsgründe bedarf es
allerdings dann nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des
Anhörungsverfahrens bereits selbst über den erforderlichen Kenntnisstand
verfügt, um eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können (BAG, Urteil vom
23.10.2008 - 2 AZR 163/07).
Eine ohne Anhörung des Betriebsrats
ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Eine fehlende
Anhörung des Betriebsrats kann auch nicht nachgeholt werden. Allerdings muss
dieser Mangel innerhalb der 3-Wochen-Frist für die Erhebung einer
Kündigungsschutzklage (§ 4 Kündigungsschutzgesetz - KSchG) geltend gemacht
werden.
Hat der Betriebsrat gegen eine
ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem
Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er
sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als
erteilt (§ 102 Abs. 2 S. 1, S. 2 BetrVG). Der Arbeitgeber kann sich in diesem
Fall auf das Schweigen des Betriebsrats verlassen. Selbst eine mangelhafte Beschlussfassung
des Betriebsrats hat keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit des
Anhörungsverfahrens. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber weiß oder
vermuten kann, dass das Verfahren fehlerhaft verlaufen ist (BAG, Urteil vom
24.06.2004 - 2 AZR 461/03).
Widerspruchsrecht des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat darüber hinaus
auch ein besonderes Widerspruchsrecht bei ordentlichen Kündigungen, welches er
innerhalb einer Woche ausüben kann (§ 102 Abs. 3 BetrVG). Dies betrifft
folgende Fälle:
1. Der Arbeitgeber hat bei der Auswahl des zu
kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht (ausreichend)
berücksichtigt,
2. die Kündigung verstößt gegen eine Richtlinie
über die personelle Auswahl bei Kündigungen, die mit dem Betriebsrat vereinbart
wurde,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer kann an einem anderen Arbeitsplatz im selben
Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt
werden,
4.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist nach zumutbaren Umschulungs-
oder Fortbildungsmaßnahmen möglich,
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist unter geänderten
Vertragsbedingungen möglich, zu welchen der Arbeitnehmer sein Einverständnis
erklärt hat.
Folgen des Widerspruchs des Betriebsrats
Das zuvor erwähnte Widerspruchsrecht
des Betriebsrates macht eine Kündigung zwar nicht unwirksam. Hat der
Betriebsrat der Kündigung widersprochen, führt dies jedoch zu Konsequenzen bei
der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers. Er hat nämlich dann einen
grundsätzlichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen
Abschluss des Kündigungsschutzprozesses. Allerdings gibt es auch hiervon
Ausnahmen, namentlich wenn
- die Klage des Arbeitnehmers keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
- die Weiterbeschäftigung des
Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers
führen würde oder
- der Widerspruch des Betriebsrats
offensichtlich unbegründet war.
(§ 102 Abs. 5 S. 2 BetrVG).
Wenn Sie rechtliche Hilfe im Zusammenhang
mit dem Betriebsrat benötigen, die Arbeitsrechtler der Kanzlei GÖDDECKE
RECHTSANWÄLTE stehen Ihnen gerne für ein erstes Gespräch zur Verfügung.
17. August 2011
(Rechtsanwalt Ralf Koch)